Tierwohl-Verantwortung der Politik endet nicht an Landesgrenzen!

Länderübergreifende Standards in der Nutztierhaltung sind schwer zu erreichen. Wo das nicht gelingt, muss die deutsche Politik selbst aktiv werden, um ihre heimische Geflügelwirtschaft im globalen Wettbewerb zukunftsfest aufzustellen. Andernfalls heizt sie Billigimporte an – und erweist damit Tierwohl und Nachhaltigkeit einen Bärendienst.

 

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag im Bereich Agrar- und Ernährungspolitik ambitionierte Nachhaltigkeits- und Tierwohlziele gesetzt. Bei der Umsetzung hat sie nach einigen Startschwierigkeiten erste Etappenziele erreicht: beispielsweise mit der verpflichtenden staatlichen Haltungskennzeichnung, die das Bundeskabinett vor einigen Wochen verabschiedet hat. Die Kehrseite: Das zusätzliche staatliche Label bringt der heimischen Landwirtschaft teils unnötige neue An- und Herausforderungen – und setzt sie damit im scharfen globalen Wettbewerb noch mehr unter Druck.

 

Das muss auch den Ampel-Koalitionären bewusst sein: Deutschland ist keine Insel. In einer Welt, in der Lebensmittel nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage grenzüberschreitend gehandelt werden, bleiben die Auswirkungen politischer Entscheidungen nie auf den eigenen Wirtschaftsraum beschränkt. Kann ein Marktakteur im Wettbewerb nicht mithalten, etwa weil nationale Auflagen ihn in die Knie zwingen, nutzt ein anderer die entstandene Lücke, um die Nachfrage zu befriedigen.

 

Bedürfnisse der Bevölkerung ernstnehmen

Zumal sich diese Nachfrage, wie auch die „Grünen“ feststellen müssen, nicht politisch steuern lässt, sondern eigenen Gesetzen folgt: Einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des ZDG zufolge ist die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung (80 Prozent) nicht bereit, komplett auf Fleisch zu verzichten. Gleichzeitig sehen fast genauso viele (81 Prozent) der Befragten die Politik in der Pflicht, schnell gesetzliche Rahmenbedingungen für Fortschritte in der Geflügelhaltung zu schaffen – und zwar sowohl beim Tierwohl als auch beim Klimaschutz.

Das heißt aber auch: Respektiert die Regierung die Bedürfnisse der Bevölkerung und will deren Versorgung mit hochwertigem, verantwortungsvoll produziertem Geflügelfleisch sichern, kann sie dies nur mit der heimischen Geflügelwirtschaft gemeinsam tun, nicht gegen sie. Unsere Produzenten sind weltweit Vorreiter in Sachen Qualität und Tierwohl; hinzu kommt eine gute Klima- und Nachhaltigkeitsbilanz, auch dank kurzer Transportwege und moderner, effizienter Produktionsprozesse. „Schwächt die deutsche Politik die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Branche mit immer neuen Auflagen, die die Produktion weiter verteuern, gewinnen ausländische Erzeuger“, sagt ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke. „Deren Erzeugungs- und Qualitätsstandards sind oftmals mindestens intransparent, wenn nicht sogar fragwürdig.“

 

Bedenkliche Entwicklung: Steigende Geflügel-Importe aus Drittländern

Diese Entwicklung zeichnet sich bereits ab: Die Importe von Geflügelfleisch aus Drittstaaten wie Brasilien in die Europäische Union sind nach einem Bericht von top agrar im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund 28 Prozent gestiegen. Der sogenannte Selbstversorgungsgrad bei Puten liegt in Deutschland nach Informationen des ZDG aktuell bei nur 82 Prozent, auch bei Hähnchen sind es unter 100 Prozent, Tendenz sinkend. In anderen Worten: Die deutschen Erzeuger schaffen es nicht, die heimische Nachfrage nach Geflügel selbst zu decken, es strömt ausländisches Fleisch auf den deutschen Markt. Ripke: „Minderwertiges Fleisch zu importieren, Klima- und Tierwohl-Probleme zu exportieren: Das kann nicht das Ziel eines grün geführten Landwirtschaftsministeriums sein.“

Deshalb dürfe die Politik nicht vergessen, auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und Tierwohl sowohl die Verbraucher als auch die Erzeuger mitzunehmen. Damit letzteres gelingt, braucht es schnellstmöglich eine Anpassung von Bau- und Immissionsschutzrecht, damit Stallumbauten schnell vorankommen; eine Finanzierungslösung, die den Landwirten Investitions- und Planungssicherheit gibt; und nicht zuletzt die ebenfalls im Koalitionsvertrag versprochene, verpflichtende Herkunftskennzeichnung, die speziell im Außer-Haus-Verzehr die Spitzenstandards der heimischen Branche sichtbar macht – und ihr damit die Wertschätzung ermöglicht, die ihr zusteht.

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