Diskussionen um die Klimafreundlichkeit von Produkten verlaufen leidenschaftlich. Geflügel wird häufig in die vermeintlich schädliche „Fleisch“-Schublade einsortiert. Zu Unrecht. Wir liefern den Klimacheck in vier relevanten Dimensionen. Unterm Strich zeigt sich: Geflügelfleisch schneidet besser ab, als Kritiker wahrhaben wollen.
Verbraucher wollen Klimaschutz – und sie richten ihr Konsumverhalten danach aus. Um klimafreundliche und klimaschädliche Lebensmittel entbrennen leidenschaftliche Debatten. Vergleiche und Rankings sind in Mode. Leider wird das komplexe Thema der Treibhausgasemissionen zuweilen verkürzt: Wichtige Fakten und Aspekte bleiben unerwähnt.
Eine aus unserer Sicht umfassende und ehrliche Analyse zu Treibhausgaseffekten der verschiedenen Produktgruppen (Fleisch, Milch, Getreide, Obst, Hülsenfrüchte) liefert die 2021 erschienene Studie „Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands: Die drei zentralen Handlungsfelder auf dem Weg zur Klimaneutralität“. Sie wurde von der unabhängigen Stiftung Klimaneutralität in Auftrag gegeben und von renommierten Umwelt- und Agrarexperten der Universitäten Berlin, Göttingen und Kiel sowie des Thünen-Instituts erstellt.
Die Studie löst sich von der reinen Emissionsbetrachtung pro Kilogramm des fertigen Produkts und führt auch Energie- und Eiweißgehalt als Bezugsgrößen ein. So erhalten die ermittelten CO2-Werte eine realistische Gewichtung, denn es ist durchaus entscheidend, wie wertvoll ein Lebensmittel für eine gesunde, ausgewogene Ernährung ist. Die Studie ist eine wesentliche Quelle für unsere vier Dimensionen des Klimachecks.
Klima-Dimension 1: Energiegehalt
Wenn die Treibhausgasemissionen für jeweils 1.000 Kilokalorien des entsprechenden Produkts errechnet werden, ergibt sich dieses überraschende Bild: Hähnchenfleisch verursacht mit 1,71 Kilogramm sogenannten CO2-Äquivalenten nur wenig mehr Emissionen als Gemüse mit 1,65 Kilogramm. Schlechter als Geflügel schneiden beispielsweise Schweinefleisch (1,86 Kilogramm), Käse (2,91 Kilogramm) und Rindfleisch (11,68 Kilogramm) ab. Besser sind hingegen Hülsenfrüchte (0,16 Kilogramm), Getreide (0,18 Kilogramm) und Obst (0,31 Kilogramm).
Klima-Dimension 2: Eiweißgehalt
Der Blick auf die CO2-Emissionen pro 100 Gramm erzeugten Eiweißes des jeweiligen Produkts bringt ein noch bemerkenswerteres Ergebnis. Hier liegt Hähnchenfleisch mit einem CO2-Äquivalent von einem Kilogramm im Vergleich noch weiter vorne. Der Wert bewegt sich nämlich auf dem Niveau von Obst und Getreide – Gemüse und Käse reihen sich mit 3 Kilogramm CO2-Äquivalenten deutlich dahinter ein. Auch die Fleischarten Schwein (2 Kilogramm) und Rind (12 Kilogramm) weisen schlechtere Werte auf.
Klima-Dimension 3: Dünger-Effekt
Was in der Klimaschutz-Diskussion weitgehend untergeht und somit selten angerechnet wird: Durch die Milch- und Fleischerzeugung werden natürliche Düngemittel quasi klimaneutral mitgeliefert. Geflügelmist zum Beispiel ist aufgrund des hohen Nährstoffgehalts und mineralischer Komponenten ein wertvoller Dünger in der Landwirtschaft. Ohne Tierhaltung müssten stattdessen mineralische Ersatzprodukte hergestellt werden. Dafür sind große Mengen an Erdöl und Erdgas nötig – mit entsprechend negativen Effekten auf die Klimabilanz.
Dimension 4: Futtermittel-Perspektiven
Das Futter in der Tierhaltung ist ein großer Faktor für den ökologischen Fußabdruck von Fleisch. Auf Zulieferungen von Soja, aus Übersee importiert, können Geflügelhalter in Deutschland nicht verzichten. Ohne diese Proteinquelle ist die Aufzucht von Mastgeflügel nach heutigen Standards nicht möglich. Aber Beimischungen regional verfügbarer tierischer Eiweiße sind eine Alternative. Auf stetes Drängen auch der Geflügelfleischwirtschaft hat die EU inzwischen tierische Schlachtnebenprodukte und Insektenproteine als Futtermittel zugelassen. Immer mehr Halter steigen hier ein und passen ihre Futtermittel entsprechend an – die positiven Effekte auf die CO2-Bilanz werden sich mittelfristig einstellen.
Fazit
Die Produktion von Geflügelfleisch ist nicht ohne Auswirkungen aufs Klima. Die CO2-Bilanz von Geflügelfleisch ist jedoch vorteilhafter, als Medienberichte und kernige Statements von per se tierhaltungsskeptischen NGOs glauben machen. Stefan Teepker, Vizepräsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), sagt: „Das bisher Erreichte ist ein Zwischenstand und für alle in der Branche Ansporn für weitere Anstrengungen.“ Er ergänzt: „Vielversprechende Hebel liegen in den Bereichen Fütterung und Zucht – mit Tieren, die optimierte Futtermittel noch besser verwerten.“