These: “Die Proteine der Zukunft sind pflanzlich!“
„Wir brauchen einen New Protein Deal“, behaupten Grünen-Politikerin Renate Künast und Godo Röben, Ex-Rügenwalder-Geschäftsführer, in einem Gastkommentar des Handelsblattes. Ihre Forderung: umfangreiche staatliche Investitionen in „moderne“ – gemeint: pflanzliche, laborerzeugte – Proteine. Und damit eine rigorose Neuausrichtung des Ernährungssystems. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich diese Idee mehr als ideologisch geprägtes Zukunftsszenario denn als praxistauglicher Reformvorschlag. Ein großflächiger Protein-Umstieg ist mit Blick auf die Marktrealität in Deutschland nicht nötig und aus agrarwissenschaftlicher Perspektive auch nicht so einfach möglich.
In dem Gastkommentar wird die „Hälfte der Bevölkerung“ als Zielgruppe für die neuen Proteine identifiziert. Das wären alle Veganer, Vegetarier und Flexitarier des Landes zusammengenommen. Letztgenannte machen allerdings den mit Abstand größten Teil der Gruppe aus – und werden wohl auch in Zukunft nicht auf den nachhaltigen und qualitätsorientierten Verzehr von Fleisch verzichten. Die tatsächliche Zielgruppe bleibt überschaubar – und somit bleibt auch das Marktpotenzial für Fleischersatzprodukte begrenzt. Ein Indiz dafür sind auch die Börsenverluste und stagnierenden Verkaufszahlen zweier Flaggschiffe der Vegan-Branche: Oatley und Beyond Meat. Klaus Martin Fischer, Unternehmensberater mit Fokus auf die Ernährungsindustrie, resümierte zu den wirtschaftlichen Einbußen der Branche in der FAZ kurz und knapp: „Der Hype ist vorbei.“
Selbst wenn der Bedarf da wäre, könnte Deutschland den Proteinbedarf nicht mit Erträgen heimischer Äcker decken. Proteinreiche Pflanzen sind bislang hauptsächlich Importware. Typische Eiweißlieferanten wie Hülsenfrüchte und Nüsse werden laut dem Bundeszentrum für Ernährung und dem Statistischen Bundesamt größtenteils aus dem Ausland eingeführt. Welche proteinhaltigen Pflanzen in Deutschland angebaut werden sollen und wo geeignete Flächen dafür sind, konkretisieren Künast und Röben im Handelsblatt nicht – mit einer Ausnahme: Pilze, gezüchtet in alten Schweineställen. Mit dieser innovativen Ergänzung des Speiseplans kann die Proteinversorgung des Landes aber nicht im Ansatz flächendeckend umgestellt werden.
Um weiterhin eine ausgewogene, bezahlbare Ernährung für alle zu gewährleisten, werden wir aus den genannten Gründen auch in Zukunft beide Proteinquellen brauchen: pflanzliche und tierische. Experten fordern, diese Realität anzuerkennen, anstatt das bestehende Agrarsystem und etablierte Ernährungsweisen aus rein ideologischen Gründen zu torpedieren. „Was hier gefordert wird ist ein staatliches Förderprogramm für einen Sektor, der sich am Markt bisher nicht durchsetzen kann“, schreibt André Vielstädte, Member of the Board der EW Group, zum New Protein Deal auf LinkedIn. „Keine Frage, hier liegen viele Potenziale, aber Politik sollte sich um die Realität kümmern, nicht um Futuristen!“