„Endlich: Cem Özdemir will einen Putenbetrieb besichtigen!“

Auf der Agrarministerkonferenz in Kiel hat die deutsche Putenwirtschaft ihren Sorgen um die Zukunft der heimischen Produktion Ausdruck verliehen. Putenhalterin Gräfin von Spee berichtet im Interview von der Stimmung vor Ort.

Auf der Agrarministerkonferenz in Kiel hat die deutsche Putenwirtschaft ihren Sorgen um die Zukunft der heimischen Produktion Ausdruck verliehen – und beachtliches politisches und mediales Gehör gefunden. Dabei standen ihre Anliegen nicht einmal auf der offiziellen Tagesordnung. Putenhalterin Gräfin von Spee berichtet im Interview von der Stimmung vor Ort.

An den Medienrummel und die öffentliche Aufmerksamkeit hat sich Bettina Gräfin von Spee inzwischen gewöhnt. Es war nicht das erste Mal, dass sie die deutsche Putenwirtschaft bei Demonstrationen am Rande der regelmäßig stattfindenden Agrarministerkonferenzen vertreten hat, während sich zu Hause auf ihrem Betrieb ihre Familie und ihre Beschäftigten um ihre Tiere kümmerten. Diesmal hat die Putenhalterin, die auch Vorsitzende des Verbandes Deutscher Putenerzeuger (VDP) ist, es sogar in einen Beitrag der Tagesschau geschafft.

Den Anliegen ihrer Branche gegenüber der Politik ein Gesicht zu verleihen, immer und immer wieder den Dialog für eine zukunftsfeste heimische Produktion von Putenfleisch zu suchen, sei ein Kraftakt, sagt von Spee. Aber sie fühlt sich getragen von ihren vielen Branchenkolleginnen und -kollegen, die ihre Sorgen teilen und an ihrer Seite um die Zukunft der heimischen Putenwirtschaft kämpfen. Und der „Marathonlauf“ lohnt sich, wie sie sagt.

Wir haben mit ihr über ihre Eindrücke vor Ort gesprochen.

Frage: Gräfin Spee, in welcher Art und Weise hat die Putenwirtschaft am Rande der Agrarministerkonferenz konkret Präsenz gezeigt?

Bettina Gräfin von Spee: Wir sind mit 70 bis 80 Vertreterinnen und Vertretern aus der Putenwirtschaft mit Bus oder Bahn nach Kiel gereist. Neben Haltern waren auch Beschäftigte von Brütereien, Vermarktern, Futtermittelwirtschaft sowie Tierärzte dabei. Mit unseren pinken Warnwesten, den riesengroßen aufblasbaren Geflügelfiguren und unseren Transparenten waren wir auf dem zentralen Demonstrationsplatz unübersehbar – und somit nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch eine Einheit. Mir war wichtig, dass wir nicht als Krawallmacher, sondern, bei aller berechtigten Kritik an der Politik, freundlich und offen auftreten. Unsere Trillerpfeifen haben wir nicht benutzt, um jemanden auszupfeifen, sondern um akustisch auf unsere Situation aufmerksam zu machen.

Frage: Was haben Sie sich von der Teilnahme erhofft? Das Thema Putenhaltung stand nicht einmal auf dem offiziellen Programm der Agrarministerkonferenz.

Bettina Gräfin von Spee: Uns ging es darum, dennoch präsent zu sein und zu zeigen: Wir sind wachsam. Wir lassen es nicht zu, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium ein Eckpunktepapier mit völlig unwissenschaftlichen und praxisfernen Anforderungen an die Putenhaltung aus der Schublade zieht und dieses dann – ohne Folgenabschätzung und ohne einen echten Dialog mit der Branche – Realität wird. Insbesondere die Fokussierung der Politik auf die Besatzdichten, die für sich genommen nicht viel übers Tierwohl aussagen, ist verheerend: Würden diese wie vorgeschlagen drastisch reduziert, hätte das massive Auswirkungen auf die Initiative Tierwohl und andere Tierwohlprogramme. Alles würde dann wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Die Folge aber wäre vor allem ein noch größerer Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten. Damit wäre das Aus der deutschen Putenhaltung eingeläutet. Und am Ende würden die Puten eben woanders gehalten. Und was hätte die Politik dann bitte schön in puncto Tierwohl erreicht? Bis heute haben wir dazu noch nicht einmal irgendeine Antwort erhalten.

Frage: Ist es Ihnen gelungen, diese Botschaft an die Politik heranzutragen?

Bettina Gräfin von Spee: Dank der Unterstützung durch den Geflügelwirtschaftsverband Schleswig-Holstein hatten wir die Gelegenheit, auf dem Podium zu sprechen und auch am Verbändegespräch mit einzelnen Länderministerinnen und -ministern teilzunehmen. Bemerkenswert fand ich, dass Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir im Laufe der Veranstaltung unseren Stand besucht hat – und zwar vor allen anderen. Zudem hat er uns in einem Videobeitrag zum Abschluss der Konferenz prominent erwähnt.

Frage: Was hat er Ihnen gesagt?

Bettina Gräfin von Spee: Er sagte, er habe vernommen, dass der Sprung, den er unserer Branche mit dem Eckpunktepapier zumuten würde, zu groß sei. Und dass er sich im Spannungsfeld zwischen Tierschutz und Erzeugerperspektive darum bemühe, einen fairen Ausgleich der Interessen herzustellen. Wie genau der aussehen soll, hat er uns aber leider nicht gesagt. Immerhin hat er aber versprochen, dass es mit Blick auf die geplante Regulierung einen „überarbeiteten Entwurf“ geben werde. Ob damit eine Neufassung des Eckpunktepapiers oder gar ein Verordnungsentwurf gemeint ist, ist unklar. Offen geblieben ist auch, wann überhaupt damit zu rechnen ist.

Frage: Haben Sie dennoch eine Veränderung in der Stimmung oder auch Dialogbereitschaft der Politik der Branche gegenüber vernommen – gerade im Vergleich zu früheren Agrarministerkonferenzen?

Bettina Gräfin von Spee: Wir haben gemerkt, dass man uns nicht meidet, sondern uns und unsere Anliegen wahrnimmt – und der Bundesminister ist ja auch aktiv auf uns zugekommen. Mein Eindruck ist: Wir nähern uns atmosphärisch an, das Gespräch ist offener geworden. Es gibt noch keine Lösungen, aber immerhin werden die Probleme der aktuellen Regulierungsvorhaben gesehen und benannt.

Was mich ganz besonders freut: Nach vielen Einladungen von unserer Seite hat der Minister uns vor Ort zugesichert, demnächst nun endlich doch einmal einen Putenbetrieb zu besuchen. Dies wäre dann eine Gelegenheit, an unser Gespräch anzuknüpfen. Und das wäre dann vielleicht das wichtigste Ergebnis, das wir aus Kiel mitgenommen haben.

Weitere Eindrücke aus Kiel finden Sie hier in unserer Bildergalerie.

Bettina Gräfin von Spee berichtet außerdem hier im Video von den hohen Standards in der heimischen Putenhaltung. 

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