Tierwohl-Cent: Juristisch kaum durchführbar

Die Bauerndemonstrationen mit Zehntausenden von Landwirten haben eine Diskussion über die Agrarpolitik ausgelöst. Um was es geht.

Die Tierwohlabgabe forderte bereits die Borchert-Kommission. Doch für eine Einführung müssen hohe Verfassungs- und europarechtliche Hürden überwunden werden. Das schreibt Dr. Till Valentin Meickmann vom Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, insbesondere Finanz- und Steuerrecht der Universität Passau, in einem Gastbeitrag auf verfassungsblog.de. „Während eine Sondergabe kaum mit der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu vereinbaren sein dürfte, setzt das unionsrechtliche Verbot diskriminierender Abgaben einer zweckgebundenen Steuer Grenzen“, erklärt Dr. Meickmann.

Tierwohl-Cent kaum als Sonderabgabe umsetzbar

Eine Sonderabgabe mit dem Zweck, ein besonders Vorhaben zu finanzieren, erlaubt das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung demnach nur in seltenen Ausnahmen. Dazu gehört, dass stets eine homogene Gruppe von der Abgabe belastet werden müsse. Die Verbraucherinnen und Verbraucher als Ganzes zählten aber nicht als so eine Gruppe, so Dr. Meickmann. Zudem müsse die Abgabe zum Nutzen einer belasteten Gruppe verwendet werden. Man könne mit einer zweckgebundenen Tierwohl-Abgabe also prinzipiell Benachteiligungen der Lebensmittelkette ausgleichen, allerdings müsste der Gesetzgeber dann darlegen, warum Landwirte, Verarbeiter und Handel durch zu wenig Tierwohl benachteiligt sind. Außerdem müsste die Abgabe dann in der Lebensmittelkette erhoben werden.

Leichter wäre eine Sonderabgabe ohne besonderen Finanzierungszweck einzuführen, so der Jurist. Dann wäre der Zwecke der Tierwohl-Abgabe aber nicht, Geld für den Umbau der Tierhaltung zu mobilisieren, sondern, den Verbrauch tierischer Produkte zu lenken.

Möglich dagegen Verbrauchssteuer auf tierische Produkte

Möglich wäre eine Verbrauchssteuer auf tierische Produkte, die so gestaltet ist, dass sie auf private Endverbraucher abgewälzt werden könne. Vorbild hierfür könnten Kaffee- und Biersteuer sein. Ebenfalls denkbar wäre es, den Umsatzsteuersatz für tierische Produkte von derzeit 7 % auf 19 % oder einen dazwischenliegenden Satz zu erhöhen. Während die Umsatzsteuer unkompliziert erhöht werden könnte, würden Verbraucher dadurch zum Verzehr möglichst niedrigpreisiger Produkte motiviert. Eine Verbrauchssteuer wäre komplizierter in der Gestaltung, könnte aber so umgesetzt werden, dass Lebensmittel mit höherem Tierwohl begünstigt würden.

Bindung der Einnahmen an Nutztierhaltung schwierig

Verfassungsrechtlich schwierig durchzusetzen wäre allerdings die Zweckbindung der Einnahmen für den Umbau der Tierhaltung. Steuereinnahmen flössen grundsätzlich in den allgemeinen Haushalt. Erschwerend komme hinzu, dass die Steuer europarechtlich keinen Wettbewerbsnachteil darstellen dürfe. Wenn deutsche Landwirte durch Förderung aus den Steuereinnahmen von jeglicher zusätzlichen Belastung verschont würden, wäre die Tierwohlsteuer europarechtswidrig.

Politisch leicht gangbar wäre laut Dr. Meickmann somit nur die Einführung einer Tierwohlsteuer bzw. die Erhöhung der Umsatzsteuer, um das Steueraufkommen zu erhöhen. Damit wird aber der Zweck verfehlt, den Umbau der Tierhaltung zu finanzieren. ZDG-Geschäftsführer Wolfgang Schleicher erinnert in diesem Zusammenhang zudem daran,  dass „die Lösung ganz einfach wäre. Anstelle über die Einführung von Fleischsteuer, Tierwohl-Cent oder Tierwohlabgabe sowie zum Bürokratieabbau eine Scheindebatte zu führen, sollte die Bundesregierung gute Initiativen, wie die wirtschaftsgetragene Initiative Tierwohl (ITW), stärken. Davon profitieren Tiere, Verbraucher und Landwirte gleichermaßen. Hier sorgen die Beteiligten – Landwirtschaft, Fleischwirtschaft, Lebensmittelhandel und Gastronomie – nun schon seit 2015 über definierte Preisaufschläge dafür, dass die höheren Kosten für die Erfüllung höherer Tierwohlstandards den teilnehmenden Betrieben bezahlt werden. Dies alles läuft ohne überbordende Bürokratie, aufwändige Erhebungssysteme und teure Verwaltungsstrukturen. Warum zögert die Bundesregierung, gemeinsam mit der Ernährungswirtschaft über die ITW den Tierhaltungsstandort Deutschland weiterzuentwickeln?“

(Bildnachweis: Adobe Stock / photobyphotoboy)

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