Alle reden darüber – aber was steckt wirklich hinter dem Begriff „Nachhaltigkeit“? Unterschiedliche Akteure legen das unterschiedlich aus. Dabei gibt es eine hilfreiche Übereinkunft der UN-Staaten dazu, welche Facetten dazugehören – oder dazugehören sollten. Leider sind in der deutschen und auch europäischen Agrar- und Ernährungspolitik nicht alle gleichermaßen repräsentiert.
Die Vereinten Nationen haben sich im Jahr 2015 im Rahmen ihrer „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ auf 17 globale Nachhaltigkeitsziele, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs), verständigt. Sie beruhen auf den drei Säulen ökologische Verträglichkeit, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und richten sich an Regierungen weltweit, aber auch an Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Die Ziele bzw. aufgeführten Handlungsfelder sind:
· Keine Armut
· Kein Hunger
· Gesundheit und Wohlergehen
· Hochwertige Bildung
· Geschlechtergleichheit
· Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen
· Bezahlbare und saubere Energie
· Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
· Industrie, Innovation und Infrastruktur
· Weniger Ungleichheiten
· Nachhaltige Städte und Gemeinden
· Nachhaltiger Konsum und Produktion
· Maßnahmen zum Klimaschutz
· Leben unter Wasser
· Leben an Land
· Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
· Partnerschaften zur Erreichung der Ziele
Die Bundesregierung bezeichnet die SDGs als Grundlage ihrer Nachhaltigkeitspolitik und hat in ihrer Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie dargelegt, wie sie die 17 Ziele umsetzen will. Jährlich legt sie in einem Monitoringbericht Rechenschaft darüber ab, wie weit sie damit gekommen ist – mit zuletzt durchwachsenem Ergebnis. Eine Analyse des Statistischen Bundesamtes zeigte bei 33 von insgesamt 75 mit Indikatoren hinterlegten Zielen eine „drohende wesentliche Zielverfehlung“. Deutschland hinkt seinen Vorhaben demnach nicht nur beim Ökolandausbau hinterher, sondern unter anderem auch bei den Treibhausgasemissionen, beim „Anteil erneuerbarer Energien am Brutto-Endenergieverbrauch“, dem Schuldenstand oder auch beim „Marktanteil von Produkten mit staatlichen Umweltzeichen“.
Es bleibt also noch einiges zu tun – kein Wunder angesichts der Mammutaufgabe für Politik und Gesellschaft. Doch nicht nur an der Umsetzung, sondern schon bei der Gewichtung der zahlreichen Ziele hapert es aus Sicht des ZDG. „Wir vermissen auf deutscher und teilweise europäischer Ebene die holistische Betrachtung der Nachhaltigkeit, wie die UN sie vorgenommen hat: Die Nachhaltigkeitsdimensionen ‚Wirtschaft‘ und ‚Gesellschaft‘ gehen zugunsten der Ökologie oftmals unter“, kritisiert Wiebke von Seggern, ZDG-Bereichsleiterin für Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz.
Als Belege hierfür nennt sie etwa die Ernährungsstrategie der Bundesregierung, ihre Veggie-Initiativen oder das beschlossene Bio-Siegel in der Gemeinschaftsverpflegung. Hier würden (Markt-)Realitäten, finanzielle Belastbarkeit von Verbrauchern und Landwirten und mangelnde Nachfrage teilweise ausgeblendet. Für die politisch gewünschte Weiterentwicklung des Agrar- und Ernährungssystems brauche es einerseits Akzeptanz von Bürgerinnen und Bürgern, andererseits vernünftige, verlässliche und europaweit einheitliche Rahmenbedingungen für Unternehmen, sagt von Seggern. „Permanent neue Gesetze, Verordnungen und Erlasse, sowohl international als auch national, verbunden mit einem Übermaß an Bürokratie, sind aus meiner Sicht der stärkste Bremsklotz für eine nachhaltige Wirtschaft in Deutschland.“
Zum Interview mit Wiebke von Seggern mit näheren Informationen zur Nachhaltigkeit der Geflügelwirtschaft geht es hier.