„Permanent neue Gesetze sind ein Bremsklotz für mehr Nachhaltigkeit“

Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz – Im Interview erläutert ZDG-Expertin Wiebke von Seggern, was sie bei ihrer Arbeit antreibt und warum die Geflügelfleischproduktion alle Dimensionen der Nachhaltigkeit bedient.

Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz – für diesen wichtigen Bereich hat der ZDG mit Wiebke von Seggern eine eigene Expertin an Bord. Im Interview erläutert die Agrarwissenschaftlerin, was sie bei ihrer Arbeit antreibt und warum die Geflügelfleischproduktion alle Dimensionen der Nachhaltigkeit bedient.

Nicht nur hochwertig, sondern auch nachhaltig: Mit ihren Erzeugnissen leistet die deutsche Geflügelwirtschaft einen wertvollen Beitrag für die Ernährungssicherung. Die ambitionierten Nachhaltigkeitsziele der Branche gilt es stets weiterzuentwickeln – und ihre Vorreiterrolle in der öffentlichen Wahrnehmung sichtbarer zu machen. Als Bereichsleiterin für Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz kümmert sich Wiebke von Seggern um genau diese Aufgaben. Wir wollten von der Niedersächsin wissen, was sie bei ihrer Arbeit antreibt, welche Hemmnisse sie für die Branche sieht – und wie sie die lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) bewertet, die diese zurzeit aktualisiert.

 

Frau von Seggern, wie sind Sie zu Ihrer heutigen Aufgabe gekommen?
Wiebke von Seggern
Ich war zuletzt als Referentin für Vieh- und Fleischwirtschaft beim Deutschen Raiffeisenverband tätig und konnte umfangreiche Erfahrung in der Interessensvertretung der genossenschaftlichen Unternehmen gegenüber Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit sammeln. Die agrarwirtschaftliche Interessenvertretung in der Verbandsarbeit und insbesondere das Netzwerken mit relevanten Stakeholdern hat mir schon immer viel Freude bereitet. Meine Leidenschaft für die Geflügelwirtschaft und der Wunsch nach einer beruflichen Weiterentwicklung führten mich zu meiner heutigen Position.
Welchen Bezug haben Sie zur Geflügelwirtschaft generell und zum Thema Nachhaltigkeit speziell?
Wiebke von Seggern
Die Leidenschaft zum Geflügel habe ich meinem elterlichen Background zu verdanken. Ich bin auf einem Familienbetrieb mit Putenmast, Schweinemast, Ackerbau und Dammwildhaltung im Landkreis Oldenburg in Niedersachsen aufgewachsen. An der Universität in Göttingen habe ich meinen Bachelor in Agrarwissenschaften absolviert, an der Universität in Vechta anschließend den Master. Bereits im Studium habe ich mich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt und meine Masterarbeit zum Thema Nachhaltigkeit in der Putenhaltung verfasst. Umso mehr freut es mich, im Rahmen meiner neuen Tätigkeit auch das zweite Standbein zu Hause – die Geflügelhaltung – im politischen Berlin zu vertreten.
Warum ist die Geflügelproduktion so nachhaltig?
Wiebke von Seggern
Die Mitgliedsunternehmen leisten schon heute mit der Produktion von Geflügelfleisch einen vielfältigen Beitrag für die Ernährungssicherung und Nachhaltigkeit. In der Geflügelwirtschaft liegen Nachhaltigkeitsmaßnahmen im ureigenen betriebswirtschaftlichen Interesse, etwa wenn durch niedrigeren Energie- und Wasserverbrauch Kosten gesenkt werden können. Der Fokus liegt auf ressourcenschonendem Handeln entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Eine nachhaltige Geflügelwirtschaft stellt sicher, dass die Tiere artgerecht und respektvoll gehalten werden. Freiwillige Vereinbarungen und Brancheninitiativen sorgen für immer mehr Tierwohl in der Haltung. Die Geflügelwirtschaft nutzt Ressourcen wie Wasser, Energie und Futter besonders effizient und vereint Prinzipien der Kreislaufwirtschaft mit Konzepten der Regionalität. So trägt die Geflügelfleischerzeugung mit einem kleinen CO₂-Fußabdruck zu einer guten Ökobilanz bei. Darüber hinaus leistete die Geflügelwirtschaft mit 9,5 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung im Jahr 2022 einen wichtigen ökonomischen Beitrag zur Volkswirtschaft und ist insbesondere im ländlichen Raum mit 170.000 Arbeitsplätzen ein wichtiger Arbeitgeber. Damit kann die Geflügelfleischproduktion alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit bedienen.
Welche politischen Weichenstellungen wünschen Sie sich, um dem Thema mehr Sichtbarkeit zu geben?
Wiebke von Seggern
Im Rahmen der Farm2Fork-Strategie und des Green Deals wird das Thema Nachhaltigkeit auf EU-Ebene vorangetragen. Durch die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) werden ab 2025/26 immer mehr Unternehmen verpflichtet sein, nachhaltiges Engagement auch nachzuweisen. Es ist wichtig, dass Regierungen regulatorische Rahmenbedingungen schaffen, die Nachhaltigkeitsstandards in der Geflügelwirtschaft fördern. Aber permanent neue Gesetze, Verordnungen und Erlasse sowohl international als auch national, verbunden mit einem Übermaß an Bürokratie, sind aus meiner Sicht der stärkste Bremsklotz für eine nachhaltige Wirtschaft in Deutschland. Unsere Unternehmen brauchen vernünftige, verlässliche und europaweit einheitliche Rahmenbedingungen. Das bedeutet konkret, dass keine nationalen Alleingänge betrieben werden, wie beispielsweise mit dem Eckpunkte-Papier in der Putenhaltung. Weniger Wirtschaftspolitik und mehr Flexibilität sichern die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen.
Es zeichnet sich ab, dass die aktualisierten Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) einen deutlich reduzierten Fleischkonsum vorsehen werden. Warum wird diese Empfehlung dem Nahrungsmittel Geflügelfleisch nicht gerecht?
Wiebke von Seggern
Die DGE wird nach allem, was wir wissen, empfehlen, den Fleischkonsum insgesamt zu reduzieren und den Anteil pflanzlicher Lebensmittel zu erhöhen – wie stark, ist aktuell noch nicht klar, die DGE hat die bekannt gewordenen Richtwerte zwischenzeitlich relativiert. Gewiss ist aber: Eine ausgewogene Ernährung basiert auf Vielfalt – und Geflügelfleisch ist Teil dieser gesunden Ernährung. Geflügelfleisch hat im Vergleich zu rotem Fleisch in der Regel einen niedrigeren Fettgehalt und einen höheren Proteingehalt. Es ist auch eine gute Quelle für Nährstoffe wie Eisen, Zink, Vitamin B12 und Vitamin D. Darüber hinaus enthält Geflügelfleisch weniger gesättigte Fettsäuren, die mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht werden. Zu Recht ist Geflügelfleisch beliebt. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Geflügelfleisch lag 2022 bei 21,4 kg, und durchschnittlich hat jeder Deutsche 238 Eier konsumiert – Tendenz steigend.
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