Im politischen Alltag gerät eines häufig in Vergessenheit: Hinter dem abstrakten Begriff „Geflügelwirtschaft“ stecken echte Betriebe, echte Menschen, echte Sorgen. Stefan Teepker ist ein Beispiel dafür. Der Hähnchenhalter blickt auf sein persönliches Jahr 2022 zurück – und berichtet, warum er Gummistiefel ganz gern gegen Anzugschuhe (und zurück) tauscht.
Stefan Teepker ist ein Mittler zwischen den Welten. Als Hähnchenhalter aus Leidenschaft ist er auf seinem Hof im emsländischen Handrup gemeinsam mit seinem Bruder für 400.000 Hähnchen verantwortlich. Als Vorsitzender des Bundesverbandes bäuerlicher Hähnchenerzeuger (BVH) dafür, diese Lebenswirklichkeit regelmäßig Politikern und Vertretern des Handels nahezubringen. Was davon schwieriger ist? „Beides ist ganz schön harte Arbeit“, lacht Teepker. Dass der Alltag der Geflügelwirte und das Bild, das speziell Politikerinnen und Politiker davon haben, nicht übereinstimmen, wird in der Agrarpolitik immer wieder deutlich.
„Persönliche Gespräche sind unersetzbar“
Immerhin: Dienstreisen nach Berlin kann Familienvater Teepker immer auch mit einem Vor-Ort-Besuch an seinem zweiten Standort in Brandenburg verbinden. Er fände es nicht schlecht, wenn der eine oder andere politische Entscheidungsträger oder Vertreter des Einzelhandels dann auch mal mit auf seinen Hof käme. „Persönliche Gespräche und Eindrücke vor Ort sind unersetzbar, das haben die Corona-Pandemiezeit und anderthalb Jahre virtueller Treffen gezeigt“, sagt Teepker.
Am Ende eines Jahres, das nach langer Durststrecke wieder ziemlich viele Dienstreisen brachte, blickt der Landwirt zufrieden zurück. Ein echtes Highlight zu Hause im Emsland war der „Tag des Offenen Hofes“ mit über 3500 Besucherinnen und Besuchern, die ihn und sein Team mit Fragen gelöchert haben. „Da war ein großes Vertrauen, eine Dankbarkeit für unsere Offenheit und Transparenz zu spüren – das hat gutgetan“, sagt Teepker.
„Wir sind über die Jahre immer besser geworden“
Ein weiteres Erfolgserlebnis: der abgeschlossene 100. Mastdurchgang, der auf dem Hof Teepker gebührend gefeiert wurde. Letzterer macht den Hähnchenhalter mit über 20-jähriger Berufserfahrung besonders stolz. „Wenn ich zurückblicke, sind wir über die Jahre immer besser geworden“, sagt er: Weil die Tiere gesünder sind, brauchen sie weniger Medikamente. Weil die Futterverwertung sich verbessert hat, verbraucht der Betrieb weniger Ressourcen, unter anderem weniger Energie. Davon, dass der Betrieb digitale Unterstützung einsetzt und teilweise sogar mitentwickelt (hier erklärt Teepker das ausführlicher) profitieren sowohl die Hähnchen als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil die Technik zeitaufwändige administrative Aufgaben erleichtert.
Haltungskennzeichnung, Entwicklung der Tierbestände: Realitätssinn gewünscht
Und in seiner „politischen“ Arbeit? Da haben Teepker unter anderem die Teilnahme an Messen wie der EuroTier, die Begegnungen und Gespräche auf Parteitagen oder bei Politischen Frühstücken besonderen Spaß gemacht. Das merken bei solchen Anlässen auch seine Zuhörer und wissen es zu schätzen. Weil er weiß, wovon er spricht, wenn er Dinge sagt wie: „Die Borchert-Empfehlungen liegen auf dem Tisch, jetzt kommt die staatliche Haltungskennzeichnung – für mich als Praktiker ist das ein Widerspruch!“ Oder: „Wir sollen unsere Bestände abbauen und gleichzeitig mehr organischen Dünger produzieren – da frage ich mich: Wie soll das gehen?“
Mit Blick auf das nahende Jahr 2023 wünscht Teepker sich, dass das weitergeht: Dass auch die nächsten 100 Mastdurchgänge auf seinem Hof Fortschritte fürs Tierwohl und eine nachhaltige Geflügelfleischproduktion bringen. Dass im politischen Berlin auch in Zukunft Leute zuhören, wenn er von den Sorgen und Anliegen der Landwirte vor Ort berichtet. „Und dass bei den Anforderungen und Wünschen an uns Landwirte etwas mehr Ehrlichkeit und Realitätssinn einkehren“, sagt er. „Das täte gut.“