Da muss mehr kommen!

Die Bundesregierung treibt die verpflichtende staatliche Haltungskennzeichnung voran – bleibt aber entscheidende Schritte und Antworten schuldig.

Nach monatelangem Hin und Her hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Dienstag (07.06.2022) die Eckpunkte einer verpflichtenden staatlichen Haltungskennzeichnung vorgestellt. Es ist gut und richtig, dass hier endlich Tempo in die Umsetzung kommt. Wir als deutsche Geflügelwirtschaft können mit der Planung dennoch nicht zufrieden sein.

Unsere Einschätzung und die wesentlichen Kritikpunkte im Überblick:

  • Finanzierung des Umbaus immer noch ungesichert

Das  Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL ) betont in seinem Eckpunktepapier gleich an mehreren Stellen, dass es beim Umbau der Tierhaltung nicht nur um Tier- und Klimaschutz sowie Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher gehe, sondern auch darum, den Betrieben „eine langfristige wirtschaftliche Perspektive“ zu geben. Landwirtinnen und Landwirte könnten den gesellschaftlichen Erwartungen nur dann gerecht werden, „wenn die Rahmenbedingungen es ihnen ermöglichen, mit ihrer wertvollen Arbeit auch ein gutes Einkommen für sich und ihre Familien erzielen zu können“, lässt sich der Minister zitieren.

Allein: Wie die Landwirte, die ihre Ställe für mehr Tierwohl umbauen wollen, langfristige Planungssicherheit zur Finanzierung der dafür notwendigen Investitionen erhalten sollen, lässt das BMEL weiter offen. Die im aktuellen Bundeshaushalt vorgesehene eine Milliarde Euro für die Landwirtschaft ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der vier bis sechs Milliarden Euro, mit denen der Umbau jährlich zu Buche schlagen wird.  Dabei können Deutschlands Geflügelhalter schon seit längerem nicht mehr kostendeckend arbeiten, immer mehr Höfe geben auf – die Lage ist alarmierend. Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V. (ZDG), sieht darin die entscheidende Schwäche des Eckpunktepapiers: „Solange die deutschen Nutztierhalter keine Klarheit haben, wie sie den Umbau finanzieren können, bleibt das Haltungskennzeichen ein leeres Versprechen und kann in der Praxis keine Umsetzung finden.“

 

  • Eingeschränkter Geltungsbereich, fehlender Zeitplan

Im ersten Schritt ist nur die Tierart Schwein von der verpflichtenden staatlichen Haltungskennzeichnung erfasst – weitere Tierarten wie Rind und auch Geflügel sollen „schrittweise“ aufgenommen werden, aber einen verlässlichen Zeitplan dafür liefert das BMEL nicht. In anderen Worten: Für heimische Geflügelhalter geht die Hängepartie auch hier weiter, nicht zuletzt, was die künftigen Anforderungen an die einzelnen Haltungsformstufen betrifft. Positiv: Die Außer-Haus-Verpflegung und die Gastronomie sind mittlerweile auch auf der politischen Agenda angekommen, auch hier soll die Haltungskennzeichnung perspektivisch kommen. Mehr Transparenz ist hier aus unserer Sicht längst überfällig, weil in diesem Segment der Großteil des Geflügelfleisches abgesetzt wird.

 

  • Zentraler Baustein „Herkunftskennzeichnung“ fehlt!

Das BMEL sieht beim „Gesamtvorhaben zukunftsfeste Tierhaltung“ vier zentrale Bausteine – neben der Tierhaltungskennzeichnung sind das ein Förderkonzept für den Umbau der Ställe, bessere Regelungen im Tierschutzrecht und Anpassungen im Bau- und Genehmigungsrecht. Aus Sicht der Geflügelwirtschaft wird hier leider einmal mehr ein zentraler Baustein vergessen: Weil hohe Tierwohl-Standards bei Geflügel untrennbar mit dem Produktionsstandort Deutschland verknüpft sind, muss die Haltungskennzeichnung zwingend mit einer Herkunftskennzeichnung einhergehen. Ripke: „Über 80 Prozent der Verbraucher wünschen sich laut Umfragen diese Transparenz für ihre Konsumentscheidung. Das verbindliche Herkunftskennzeichen muss politisch und technisch sofort entwickelt werden, damit es zum 1. Januar 2023 zur Anwendung kommen kann. Es ist eine wichtige Grundlage der Finanzierung einer Tierwohlabgabe.“

Letztere könnte dem ZDG zufolge in einem Mischmodell funktionieren: beispielsweise als marktfinanzierte Abgabe, verbunden mit einer ergänzenden jährlichen Zuweisung von zweckgebundenen Haushaltsmitteln durch das Bundesministerium für Finanzen (BMF) an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). So könnte Bundesminister Cem Özdemir den Tierhaltern die notwendige langfristige Mehrkostenerstattung über einen Zeitraum von 20 Jahren garantieren. Der Markt werde dies kurzfristig nicht leisten können, sagt Ripke. „Verbunden mit einer regelmäßigen Evaluierung des Marktanteiles und der realen Produktionskosten, würde damit ein sicheres Finanzierungssystem etabliert.“

 

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