Es ist höchste Zeit für ein tierwohlgerechtes Baurecht!

Stallumbauten kommen nicht voran, weil Tierhalter kaum Chancen auf eine Genehmigung haben

Der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sieht eine Anpassung des Bau- und Genehmigungsrechts in der Tierhaltung vor. Diese ist überfällig! Bisher bremsen restriktive Bau- und Immissionsschutzgesetze Geflügelhalter aus, die ihre Ställe für mehr Tierwohl umbauen wollen.

Spätestens seit den Empfehlungen der Borchert-Kommission ist die Marschrichtung klar: Deutschlands Agrarwirtschaft kann, will und wird noch mehr als bisher für den Klima-, Umwelt- und Tierschutz tun.

Die deutsche Geflügelfleischwirtschaft hat bereits viel für mehr Gesundheit und Wohlergehen ihrer Tiere erreicht – zuvorderst mit der freiwilligen Initiative Tierwohl. Deutschlands Geflügelhalter stehen für weitere Fortschritte bereit. Doch dafür brauchen sie die Unterstützung der Politik. Der in der vergangenen Woche präsentierte Koalitionsvertrag lässt darauf schließen, dass die künftigen Regierungsparteien den Handlungsbedarf zwar erkannt haben: Darin steht, dass im Kontext der Bemühungen um eine noch artgerechtere Tierhaltung unter anderem auch das Bau- und Genehmigungsrecht angepasst werden sollen. Doch wie diese Anpassungen konkret aussehen sollen, ist noch völlig unklar.

Fortschrittsbremse Baurecht: Investitionen in Stallanlagen liegen auf Eis

Bislang entpuppen sich Bau- und Immissionsschutzgesetze beim Umbau von Geflügelställen für mehr Tierwohl als echte Fortschrittsbremsen. Landwirte, die ihre Ställe auf eigene Kosten umbauen wollen, scheitern häufig an den hohen Hürden des Baugesetzbuchs und der sogenannten Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft). Investitionen in Stallanlagen liegen deshalb auf Eis, die Zukunft vieler Betriebe ist ungewiss.

„Die Politik war in der Vergangenheit nicht in der Lage, konsequent und sachlogisch in eine Richtung zu gehen und zu entscheiden – und hat damit die Existenz unserer heimischen Erzeuger gefährdet“, sagt ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke. „Es ist zu hoffen, dass die Koalition in Berlin umsteuert, damit das Emissionsrecht nicht länger gegen das Tierschutzrecht ausgespielt wird.“

Die Kritikpunkte und Lösungsansätze im Überblick.

 

Baurecht: Bestandsschutz bestehender Betriebe in Gefahr

Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) regelt, dass für größere Umbaumaßnahmen mit Auswirkungen auf die Umwelt in der Regel eine Baugenehmigung zu beantragen und ein Bebauungsplan vorzulegen ist. Müssen Ersatzbauten errichtet werden, weil eine Modernisierung oder Erweiterung der alten Ställe nicht möglich ist, verliert die Betriebsstätte nach heutigem Recht ihren Bestandsschutz.

Für Landwirte, die mehr Platz und Auslauf für ihre Tiere schaffen wollen, bedeuten diese Anforderungen einen enormen bürokratischen Aufwand, lange Wartezeiten, eine große Rechts- und Planungsunsicherheit – und das existenzielle Risiko, dass ihnen am Ende die Baugenehmigung versagt bleibt, ohne die sie ihren Betrieb aber nicht an die künftigen gesetzlichen Tierwohl-Vorgaben anpassen können.

 

TA Luft: Nochmalige Verschärfungen ab Dezember

Erschwerend hinzu kommen die Regelungen der TA Luft, die ab Dezember 2021 nochmals verschärfte Emissionsgrenzen bringen: Der Maximalwert für den Stickstoffausstoß in der Geflügelhaltung sinkt dann von bisher 5 Kilogramm auf 3,5 Kilogramm pro Hektar und Jahr. „Mehr Außenklima-Anreize und Offenställe mit Auslauf für unsere Nutztiere werden mit dieser Vorgabe faktisch unmöglich“, kritisierte ZDG-Präsident Ripke bereits vor Monaten. Denn während in den Ställen Abluftfilter zum Einsatz kommen, entweichen die Emissionen im Offenstall oder Außengehege in der Regel ungefiltert in die Umgebung.

Zusammengefasst ergibt sich ein düsteres, geradezu schizophrenes Szenario für die deutschen Geflügelhalter: Es kann sein, dass die Politik die Umsetzung konkreter Maßnahmen für mehr Tierwohl beschließt, die heimischen Landwirte aber gar nicht die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen, um sie zu realisieren.

 

Reprivilegierung von gewerblichen Ställen für mehr Tierwohl muss kommen – für alle Tierhalter

Der ZDG fordert den Gesetzgeber dazu auf, in Bau- und Immissionsrecht zügig nachzubessern, damit der (Aus-)Bau tierfreundlicherer Fläche bundesweit in Fahrt kommt – insbesondere mit der sogenannten Reprivilegierung von gewerblichen Ställen für mehr Tierwohl und mit Erleichterungen für Tierwohlställe innerhalb der TA Luft.

Zwar haben Bundestag und Bundesrat in diesem Sommer bereits den Weg für erleichterte Stallumbauten freigemacht; die Neuerung gilt allerdings nur für Sauenhalter – unter anderem, weil sich die große Koalition nicht auf einheitliche Tierwohl-Kriterien einigen konnte. Alle anderen Tierhalter bleiben damit außen vor. Eine aus Sicht der Geflügelwirtschaft unverständliche und inakzeptable Entscheidung – und auch hier die Hoffnung, dass die neue Regierung zügig nachbessert.

Auch Stefan Teepker, Hähnchenhalter und Vorsitzender des Bundesverbandes bäuerlicher Hähnchenerzeuger (BVH), ist frustriert von der politischen Hängepartie und drängt auf die längst fälligen Anpassungen. Er bringt auf den Punkt, worauf es Deutschlands Geflügelhaltern jetzt ankommt: „Sie wollen nicht länger warten, sondern einfach schon mal loslegen und tierwohlgerechtere Ställe bauen“, sagt er. Bislang fehlten schlicht die rechtlichen Möglichkeiten dafür. „Wenn die Politik diese Möglichkeiten endlich schafft, kostet das den Staat keinen Cent. Worauf also warten?“

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