„Wir brauchen eine Zukunft, um in noch mehr Tierwohl investieren zu können“

Putenhalterin Sabine Asum über ihren Alltag als Landwirtin in herausfordernden Zeiten

Vorausschauendes Unternehmertum, moderne Technologien und höchste Tierwohlstandards: So sieht Putenhaltung in Deutschland heute aus. Landwirtin Sabine Asum berichtet von ihrem Alltag – und von den Sorgen einer Traditionsbranche, deren Zukunft gerade ungewiss ist.

Der Putenhof Asum im bayerischen Laimering bei Augsburg ist ein klassischer Familienbetrieb in ländlicher Idylle. Sabine Asum und ihr Ehemann sowie ihr Sohn Stefan und dessen Partnerin ziehen hier drei Mal im Jahr rund 20.000 Puten auf. Damit liegt die Betriebsgröße im Mittelfeld, wie Sabine Asum sagt. Mehr wäre schön, geht aber nicht – denn im Gegensatz zu den weitläufigen landwirtschaftlichen Flächen etwa in Niedersachsen ist „hier in Bayern irgendwo in der Nähe immer ein Wald oder die nächste Bebauung“, sagt sie.

 

 

 

Auf einem Geflügelhof müssen alle mit anpacken – Sabine Asum bei Ihrer Arbeit wie beispielsweise auf einem Kontrollgang durch den Stall.

 

Der Arbeitstag beginnt für die Familie Asum und ihre Mitarbeiter – ein Auszubildender und ein fester Angestellter – um sieben Uhr morgens mit einer Besprechung, danach folgt der erste von täglich mindestens drei Stallgängen. Das Wohlergehen der Tiere kontrollieren, füttern, Tränken putzen. Die Einstreu für die Puten wird meist am Vorabend schon eingebracht. „Damit sie sich abends in eine Art Bett legen und wohlfühlen können“, sagt Sabine Asum. Dazwischen erledigen die Betriebsleiter und ihr Team immer wieder Büroarbeit: Bestellungen aufgeben, Lieferscheine archivieren, dazu die Arzneimittel- oder Vitamingaben aufschreiben. Auch die Mitgliedschaft des Betriebs bei der „Initiative Tierwohl“ erfordert umfassende Dokumentationspflichten. Fast alles läuft heute digital – außer natürlich die Arbeit am Tier. „Wir haben an uns den Anspruch, dass das alles passt, denn es gibt nichts zu verheimlichen“, so Asum. „Aber es ist brutal viel geworden über die Jahre.“ Dass sie vor ihrem Einstieg in den landwirtschaftlichen Betrieb ihres Ehemannes vor über 30 Jahren eine kaufmännische Lehre gemacht hat, hilft ihr dabei sehr. Aber manchmal wäre sie noch lieber länger draußen bei ihren Puten als am Schreibtisch.

Modernisierung auf eigenes Risiko: „Wir haben uns Schritt für Schritt vorgewagt“

Tatsächlich steht das, was Familie Asum heute leistet, dem Management „klassischer“ Unternehmen in nichts nach. Auch, weil sie ihren Betrieb über die Jahre und Jahrzehnte sukzessive erweitert und modernisiert hat. Heute betreibt sie nicht nur Ackerbau und Putenhaltung, sondern hat unter anderem auch ein Transportunternehmen, einen Hackschnitzelvertrieb und Ferienwohnungen. Der Betrieb verfügt sogar über eine Biogasanlage und damit einen eigenen Stoffkreislauf.  „Als 2004 unsere erste Photovoltaik-Anlage auf die Stalldächer kam, meinten unsere Nachbarn noch: Ihr seid’s ja verrückt!“, sagt Sabine Asum mit einem Schmunzeln. All ihre Investitionen hat die Familie auf eigene Kosten gestemmt. „Wir haben uns immer gefragt, wie wir unseren Hof zukunftsfest machen können und uns dann Schritt für Schritt vorgewagt“, so die 52-Jährige: „Das hätte auch schiefgehen können.“

Nicht zuletzt macht Familie Asum auch Öffentlichkeitsarbeit – mit einer eigenen Website, inklusive Youtube-Videos und vielen Informationen zu einer Branche, die alle Familienmitglieder begeistert: Tochter Anika studiert derzeit Agribusiness in Weihenstephan. Sabine Asum engagiert sich zudem ehrenamtlich als Kreisbäuerin im Bayerischen Bauernverband. „Wir müssen uns öffnen und immer wieder erklären, wie wir wirklich arbeiten“, erklärt sie die Motivation dahinter. Denn in der Bevölkerung halten sich hartnäckige Vorurteile. Viele wissen nicht, dass die deutschen Putenhalter schon vor vielen Jahren auf eigene Initiative hin Qualitäts- und Tierwohlstandards geschaffen haben, die zu den höchsten weltweit zählen. Außenklimaställe sind beispielsweise in Deutschland in der Putenhaltung längst die Regel, und die Besatzdichte in deutschen Ställen liegt weit unter dem Niveau, das die EU vorschreibt.

Gastro-Herkunftskennzeichnung hilft auch den Putenhaltern

Mangels EU-einheitlicher Vorgaben für die Putenhaltung müssen die heimischen Tierhalter aber zunehmend gegen Billigfleischimporte aus dem Ausland kämpfen, die häufig ohne jede Qualitätskontrolle oder Rücksicht auf das Tierwohl erzeugt wurden – während die Vorgaben und Erwartungen an die Nutztierhaltung in Deutschland sogar noch steigen. Ihnen gerecht zu werden, ist für viele Betriebe schlicht unmöglich. Denn den flächendeckenden Umbau von Ställen für noch mehr Tierwohl, den die Politik fordert, bremsen in der Praxis das restriktive Bau- und Immissionsschutzrecht aus. Dazu ist die Frage ungelöst, wer die Mehrkosten und langfristigen Investitionen der Landwirte finanziert. Derweil steigen die Rohstoffpreise weiter und weiter. „Wer hätte jemals gedacht, dass wir für die Tonne Weizen einmal 300 Euro bezahlen müssen?“, klagt Sabine Asum.

Für Erweiterungen ihres Betriebs oder gar eine Umstellung auf Haltungsstufe drei hat Familie Asum vor diesem Hintergrund gerade keinen Spielraum. „Wir können nur in mehr Tierwohl investieren, wenn unsere Betriebe eine Zukunft haben“, sagt die Betriebsleiterin. Nicht zuletzt deshalb setzt auch sie sich für eine umfassende Herkunftskennzeichnung bei Geflügelfleisch ein: „In allen Bereichen inklusive der Gastronomie und am besten EU-weit“, sagt sie.

Immerhin: Bei allen Herausforderungen muss Familie Asum im Gegensatz zu vielen anderen Betrieben zumindest nicht verzweifelt nach Nachfolgern suchen – zumal dies bei Sabine Asum und ihrem Ehemann Georg auch zeitlich noch nicht drängt. Sohn Stefan möchte den Betrieb übernehmen, ihn aktiv weiterentwickeln und für noch mehr Tierwohl ausbauen. Dafür brauchen motivierte Landwirte wie er Vertrauen und Unterstützung. Nicht nur von der Familie, sondern auch aus der Politik. „Mein Sohn sagt immer: Ich will weitermachen“, so Sabine Asum. „Er will nicht derjenige sein, der den Betrieb zusperrt.“

Laut, bunt, dialogbereit: Die Geflügelwirtschaft auf der AMK

Laut, bunt, dialogbereit: Die Geflügelwirtschaft auf der AMK

Deutsche Geflügelhalter zeigten Flagge bei Demonstrationen am Rande der Agrarministerkonferenz in Kiel
Pflanzliche und tierische Proteine sind nicht einfach austauschbar!

Pflanzliche und tierische Proteine sind nicht einfach austauschbar!

Einzelne Politiker rufen die "Protein-Revolution" aus - und verkennen die einzigartigen Eigenschaften tierischen Proteins sowie die Realitäten in der Beschaffung vermeintlicher Alternativen
Politisches Frühstück: Dialog für den Umbau der Nutztierhaltung

Politisches Frühstück: Dialog für den Umbau der Nutztierhaltung

Konstruktiver Austausch zu den geplanten Putenmast-Standards und anderen drängenden Themen
Weitere Inhalte entdecken
Mehr
Anzeigen
Datenschutzeinstellungen Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell, während andere uns helfen, diese Website und Ihre Erfahrung zu verbessern. Datenschutzeinstellungen