Gefährlicher Irrweg: Die geplanten Anforderungen an die Putenmast

Die Regierungspläne für eine Puten-Nutztierhaltungsverordnung bedrohen die heimischen Errungenschaften beim Tierwohl

Die Pläne des Bundeslandwirtschaftsministeriums für eine sogenannte Puten-Nutztierhaltungsverordnung haben die heimische Branche in Aufruhr versetzt. Denn sie drohen die Errungenschaften unserer Betriebe für das Tierwohl zunichtezumachen. Die wesentlichen Eckpunkte aus dem Ministerium – und unsere Bewertung.

Dank der Puteneckwerte und weiterer freiwilliger Brancheninitiativen gehört die heimische Putenwirtschaft heute zur Weltspitze bei Qualitäts- und Tierwohlstandards. Es gibt deshalb keinen Grund, „mit einer ordnungsrechtlichen Regelung über eine 1:1-Umsetzung der Puteneckwerte hinauszugehen“: Das hat der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) in seiner Stellungnahme zum Eckpunkte-Papier aus dem Landwirtschaftsministerium zum Ausdruck gebracht.

Im Gegenteil: Wird die Nutztierhaltungsverordnung um die geplanten Aspekte in der Putenmast ergänzt, wird das heimische Betriebe unter den gegenwärtigen Wettbewerbsbedingungen reihenweise zur Aufgabe zwingen. Privatwirtschaftliche Tierwohlinitiativen drohen durch das konkurrierende staatliche Label ins Aus gedrängt zu werden

Die wesentlichen Kritikpunkte im Überblick.

Drastische Reduktion der Besatzdichten

Das Eckpunktepapier schlägt vor, dass künftig bei weiblichen Tieren maximal 35 Kilogramm Lebensgewicht pro Quadratmeter nutzbarer Stallfläche erlaubt sind. Bei männlichen Tieren sollen es maximal 40 Kilogramm sein. Das entspricht rechnerisch 3,1 Putenhennen und 1,9 Masthähnen pro Quadratmeter. Die geplanten Werte seien „wissenschaftlich und fachlich nicht begründet und weichen so stark von den Standards in anderen EU- und Drittländern ab, dass damit unweigerlich das Aus der Putenhaltung in Deutschland eingeläutet wird“, so Bettina Gräfin von Spee, Vorsitzende des Verbandes Deutscher Putenerzeuger (VDP).

Zur Erinnerung: Die freiwilligen Puteneckwerte legen ein Maximum von 52 beziehungsweise 58 Kilogramm pro Quadratmeter fest, die Initiative Tierwohl (ITW) erlaubt sogar nur Besatzdichten von bis zu 48 Kilogramm beziehungsweise 53 Kilogramm pro Quadratmeter. Es gibt allerdings Länder in der EU, in denen bis zu 70 Kilogramm üblich sind! Sie sind gegenüber der heimischen Branche schon jetzt massiv im Vorteil, können zu geringeren Kosten produzieren und ihre intransparent hergestellte Ware hierzulande einträglich verkaufen.

Die drastische Reduktion der Besatzdichten ist die gravierendste Neuerung, die das Landwirtschaftsministerium mit der Ergänzung der Nutztierhaltungsverordnung um Putenmast-Regeln verfolgt. Was sie in der Praxis bedeutet, lässt sich am Beispiel Österreichs veranschaulichen: Dort gilt seit längerem die gleiche Besatzdichte, die das BMEL auch für Deutschland vorgeschlagen hat. Die Folge: Nur noch rund 30 Prozent des in Österreich verzehrten Putenfleisches stammen aus österreichischer Erzeugung, im Großhandel sind es nur noch rund sieben Prozent.

Weitere Kritikpunkte

Es gibt zahlreiche weitere Kritikpunkte an der Planung des BMEL: Für die Forderung nach einer Mindestbeleuchtungsstärke in den Ställen beispielsweise (konkret sind 20 Lux angedacht) gibt es keine fachliche und wissenschaftliche Begründung: Die auf den Menschen ausgerichtete Maßeinheit ist nicht geeignet, dass Helligkeitsempfinden von Puten korrekt abzubilden. Das Landwirtschaftsministerium fordert zudem Beleuchtungsmittel, die exakt auf das Vogelauge abgestimmt sind, diese befinden sich aber noch in der Entwicklungs- und Erprobungsphase, sind also noch nicht praxistauglich. Deshalb kann uns die Politik dies auch nicht verordnen.

Das Eckpunktepapier definiert außerdem, bis wann genau im Leben einer Pute die Aufzuchtphase geht und ab wann die Mastphase beginnt. Für jede der Phasen legt es spezielle maximale Besatzdichten fest. Für diese Definition gibt es aus praktischer und fachlicher Sicht aber keine Grundlage: Denn die Haltungsrhythmen sind verschieden, damit auch die Übergänge von Aufzucht- zu Mastphase fließend – deshalb macht eine starre Abgrenzung nach Alter hier keinen Sinn.

Fazit

Alles in allem lässt die politische Planung an vielen Stellen Fachkunde sowie einen Realitätsbezug vermissen. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass bislang keine echte Folgenabschätzung stattgefunden hat – verantwortungsvolle Politik sieht anders aus“, sagt VDP-Vorsitzende Bettina Gräfin von Spee.

Um sowohl das Tierwohl weiter zu verbessern als auch die Wettbewerbsfähigkeit der Putenhaltung zu sichern, braucht es endlich einheitliche Haltungsstandards auf EU-Ebene, fordert sie. Die EU aber lässt sich damit Zeit: Erst Ende 2025 soll eine wissenschaftliche Stellungnahme zur Putenhaltung vorliegen, die Basis für eine Novelle des europäischen Tierschutzrechts sein soll. Dann dauert es noch mindestens zwei weitere Jahre bis zu einer möglichen EU-weiten Regelung. Gräfin von Spees ernüchterndes Fazit: „Kommt der nationale Alleingang so wie geplant, ist die deutsche Putenwirtschaft bis dahin tot.“

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