Innovationsgeist aus Bayern: Erwin Beisl bringt die Hähnchenhaltung auf ein neues Level

Große Aufmerksamkeit für erhöhte Sitzpodeste im Geflügelstall

Erwin Beisl hat die Geflügelhaltung buchstäblich auf ein neues Level gebracht: Er bietet seinen 70.000 Masthähnchen erhöhte Sitzpodeste im Stall, die aus eigener Entwicklung und Herstellung stammen. Für diesen Innovationsgeist in Sachen Tierwohl wurde der 42-jährige Landwirt aus dem niederbayerischen Marklhofen für den Ceres Award 2022 nominiert.

Mit der großen Aufmerksamkeit für seine Erfindung hätte Erwin Beisl selbst nie gerechnet. Doch seinem beruflichen Umfeld war das Potential der Podeste schnell bewusst: „Es war Dr. Josef Bachmeier, Chef der Brüterei bei uns, der die Uni München an mich verwiesen hat. Die sind dann mit einer Kamera gekommen und haben untersucht, was die Stallumbauten für einen Einfluss auf die Tiere haben, wieviel Prozent da hinaufgehen, wie sie sich verhalten. Die Resonanz war sehr positiv.“ Kurze Zeit später berichtete das Landwirtschaftliche Wochenblatt über Beisl. Die Redakteurin des Beitrags machte ihn auf den Ceres Award aufmerksam – für den Beisls Ehefrau kurzerhand die Bewerbungsunterlagen ausfüllte.

Unter den drei Finalisten gelandet zu sein, ist für Beisl mehr als nur eine Ehre. Es ist auch ein willkommener Anlass für seine Öffentlichkeitsarbeit. Denn der Landwirt setzt sich leidenschaftlich für ein besseres Image seiner Branche ein. Um ein authentisches Bild der modernen Landwirtschaft zu vermitteln, setzt er vor allem auf Transparenz: Jeder ist herzlich dazu eingeladen, Beisls Hof zu besichtigen. Neben Hähnchen hält er traditionell Rinder, zudem betreibt er eine Biogasanlage. Regelmäßig empfängt der Landwirt Schulklassen und andere Gruppen bei sich, um ihnen alles zu zeigen.

 

Eine Win-win-Situation für Landwirt und Geflügel

Durch Besucherfenster im Vorraum kann man nun auch die Podeste in den Hähnchenställen bewundern. Was war eigentlich der Anlass für ihre Konstruktion? „Die Idee ist 2018 durch unsere Zusammenarbeit mit der Initiative Tierwohl entstanden“, berichtet Beisl. Denn um mit dem Siegel der Initiative Tierwohl ausgezeichnet zu werden, ist ein vergrößertes Platzangebot für die Tiere vorgeschrieben. Genau diese Möglichkeit schufen die Podeste, indem sie einen Hinzugewinn von 10 Prozent Fläche ermöglichten. Zusatznutzen: Den Hähnchen bieten sich mehr Bewegungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten, da sie die Rampen zu den Podesten hinauf- und hinabhüpfen können. Tierverhalten und -gesundheit profitieren von der neuen Stallstrukturierung. „Eine Win-win-Situation“, bestätigt Erwin Beisl.

Für den Landwirt ist der Stallumbau ein weiterer Schritt hin zu einem Betrieb der Zukunft. Denn dass die Landwirtschaft sich wandeln müsse, steht für ihn außer Frage. Für ihn persönlich bedeutet das ein Mittelweg zwischen konventioneller Tierhaltung und Bio. Zudem helfen immer mehr digitale Technologien bei der täglichen Arbeit. „In jedem Stall steht ein Laptop, all unsere Daten werden erfasst, wir sind komplett nachvollziehbar. Die technischen Innovationen werden immer interessanter, und die Betriebe der Zukunft müssen auf diesen Zug mit aufspringen.“ Beisl sieht jedoch auch die Grenzen der Technik: „Ohne Menschen wird es nie gehen. Es wird immer jemand gebraucht, der ein Gespür dafür hat, wie es dem Tier geht, ob ist es zu kalt oder zu warm ist, ob der Schnabel rot oder der Kamm lila ist.“

 

Starke Akteure müssten ein realistisches Bild der Branche zeigen

Um die Anstrengungen der deutschen Landwirte mit ihren hohen Qualitätsansprüchen der Öffentlichkeit besser zu vermitteln, würde sich Beisl mehr Unterstützung von starken Akteuren wünschen. Dazu zählt für ihn der Lebensmitteleinzelhandel. Dieser müsse ein realistischeres Bild der Lebensmittelproduzenten vermitteln. „Wir Erzeuger sind die ersten in der Kette, stehen mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern aber am wenigsten in Verbindung. Ich versuche ja schon allen, die zu uns auf den Hof kommen, die Abläufe und Zusammenhänge zu erklären – aber das sind nur kleine Schritte. Die großen Schritte müsste man miteinander gehen.“

An die Politik hat er einen ganz einfachen Wunsch: weniger ideologiegetriebene Entscheidungen, mehr Praxiskenntnis. „Ich wollte meine Ställe eigentlich für die noch höhere Haltungsstufe 3 ausbauen“, so Beisl. „Aber ich dürfte es momentan vom Bau- und Emissionsrecht her nicht, da sich Freilaufflächen für das Geflügel negativ auf unseren CO2-Fußabdruck auswirken würden.“ Hier treffen widerstreitende politische Interessen aufeinander, die die moderne Landwirtschaft offensichtlich ausbremsen. Ein weiterer Punkt ist die Finanzierung von Stallumbauten und anderen Neuerungen, die für mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit sorgen. Hier habe die Borchert-Kommission bereits einige konstruktive Vorschläge erarbeitet, so Beisl. Eine Einigung hierüber scheint jedoch derzeit nicht in Sicht.

Nicht zuletzt ist aber auch eine höhere Wertschätzung der Gesellschaft für die hiesige Landwirtschaft und ihre hochwertigen Erzeugnisse essenziell. Eine Wertschätzung, die sich in einer entsprechenden Preisakzeptanz niederschlagen müsse. Ukraine-Krieg, Inflation, Energiekrise – all das sorgt zurzeit jedoch für eine große Sensibilität beim Lebensmitteleinkauf. Doch Beisl wird den eingeschlagenen Weg unbeirrt weitergehen. „Landwirt ist immer noch der schönste Beruf der Welt.“ Wieviele Generationen vor ihm den Familienbetrieb geführt haben, kann er gar nicht sagen. „Der Hof war schon immer da! Natürlich ist man auch stolz auf das Geschaffene, möchte es erhalten und weiterführen.“

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