„Die Schweizer Kennzeichnung kann Vorbild für Europa sein“

Herkunftskennzeichnung kann ganz unbürokratisch sein - und erfolgreich zudem. Ein Blick in die Schweiz.

In der Schweiz gibt es seit Jahren eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Fleisch in Restaurants und Kantinen. Marco Breitenbach, Dozent an der Hotelfachschule Belvoirpark des Branchenverbands GastroSuisse, erklärt, warum die Transparenz ein Gewinn für Erzeuger und Gastronomen ist – und von Verbrauchern hochgeschätzt wird.

Herr Breitenbach, in der Schweiz müssen Restaurants und Kantinen bei „offen in den Verkehr gebrachten Lebensmitteln“ unter anderem die Herkunft von Fleisch und Fisch schriftlich angeben. Wie setzen die Betreiber diese Vorgabe um?
Marco Breitenbach
In den allermeisten Fällen nutzen die Gastronomen die letzte Seite ihrer Speisekarten für diese Deklaration. Bei Kantinen, Mensen und Imbissen tauchen die Informationen zumeist auf Bildschirmen beziehungsweise den angeschlagenen Tafeln auf. Neben der Herkunftsangabe des verwendeten Fleisches sind gegebenenfalls noch andere Informationen verpflichtend. Zum Beispiel ist kenntlich zu machen, wenn Fleisch und Fleischerzeugnisse mit Hormonen oder Leistungsförderern behandelt wurden.
Wie lösen die Gastronomen die Kennzeichnungspflicht bei wechselnden Tagesmenüs?
Marco Breitenbach
Die geltende Lebensmittelinformationsverordnung verlangt zwar schriftliche Angaben zur Herkunft von Fleisch. Das kann aber ganz pragmatisch gelöst werden, indem zum Beispiel auf der Tageskarte ein „Schweizer Hähnchenbrustfilet“ angeboten wird. Diese Informationstiefe reicht aus. Zusätzliche Angaben wären nötig, wenn Hormone oder Leistungsförderer eingesetzt würden. Das geschieht bei uns nicht. Für Fleisch aus anderen Herkunftsländern müsste es aber angegeben werden.
Wer hat die Herkunftskennzeichnung in der Schweiz angestoßen?
Marco Breitenbach
Der Druck kam von zwei Seiten. Zum einen haben die Schweizer Fleischerzeuger darauf gedrängt. Sie wollten, dass die hohe Qualität und die hohen Haltungsstandards ihrer Produkte für die Gäste sichtbar werden. Zum anderen haben aber auch die Verbraucher mehr Klarheit über die Herkunft der Speisen eingefordert. Die Politik musste handeln.
Gab es gegen die Einführung keine Proteste der Gastronomen, die den zusätzlichen Aufwand kritisiert haben?
Marco Breitenbach
Doch, solche Stimmen gab es. Sie sind aber schnell verstummt. Denn die Unternehmen haben registriert, dass die Herkunftskennzeichnung von den Gästen wertgeschätzt wird und ein Verkaufsargument für Schweizer Fleischerzeugnisse ist, die im Schnitt deutlich teurer sind als Produkte aus Asien und Südamerika. Die hiesigen Gastronomen können eine Geschichte zu ihrem Schweizer Fleisch erzählen. Die Nachfrage nach inländischem Fleisch ist um bis zu 25 Prozent gestiegen.
Eine Debatte über Fleisch als Luxusgut führt die Schweiz nicht – oder?
Marco Breitenbach
Nein. Denn im Trend erleben wir zwei quasi preisdämpfende Effekte: Die Schweizer essen nicht mehr so häufig Fleisch. Wenn, dann tun sie es bewusster und sind bereit, mehr dafür zu zahlen. Zudem dominiert Fleisch nicht mehr in jedem Fall den Speiseteller, die Fleischportionen werden tendenziell kleiner und andere Beilagen rücken in den Vordergrund.
In Österreich wird die Einführung einer Herkunftskennzeichnung von Fleisch intensiv diskutiert. Auch in Deutschland steht die Absicht immerhin im Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Regierung. Was ist Ihre Prognose: Kommt es zur Umsetzung?
Marco Breitenbach
Über kurz oder lang führt kein Weg an einer Kennzeichnung vorbei. Der Wunsch der Verbraucher nach Transparenz ist übermächtig. Die Schweizer Kennzeichnung kann Vorbild für Europa sein.
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