Warum Befürworter und Gegner der Nutztierhaltung nie zueinanderfinden

Wenn Fleischesser und Vegetarier oder Veganer über Nutztierhaltung diskutieren, endet dies in den seltensten Fällen mit einem Konsens oder Kompromiss. Die Wissenschaft, speziell die Tierethik, hat eine interessante Erklärung dafür.
Wenn Fleischesser und Vegetarier oder Veganer über Nutztierhaltung diskutieren, endet dies in den seltensten Fällen mit einem Konsens oder Kompromiss. Die Wissenschaft, speziell die Tierethik, hat eine interessante Erklärung dafür.

 

Darf der Mensch über Tiere herrschen? Gibt es Lebewesen, die „moralisch“ mehr wert sind als andere – und wenn ja, nach welchen Kriterien oder Merkmalen wird das entschieden? Diskussionen über die Nutztierhaltung werden deshalb häufig so leidenschaftlich geführt, weil Befürworter und Gegner der Nutztierhaltung diese Fragen fundamental unterschiedlich beantworten.

Die Tierethik – als Teil der sogenannten Bioethik – betrachtet sie aus wissenschaftlicher Perspektive. Die Unvereinbarkeit der Positionen von Gegnern und Befürwortern führt sie darauf zurück, dass ihnen inkompatible Wertesysteme zugrunde liegen: Der sogenannte Egalitarismus der Nutztierhaltungsgegner trifft auf den Hierarchismus der Befürworter. Was verbirgt sich dahinter? Im egalitären Wertesystem stehen Mensch und Tier auf einer Stufe, folglich müssen sie in moralisch relevanter Hinsicht gleich behandelt werden. Das ist insbesondere für die Frage relevant, ob Tiere getötet werden dürfen.

Die Wissenschaft unterscheidet allerdings unterschiedliche Ausprägungen bei diesem Gleichheitsprinzip: Peter Singer als Mitbegründer der modernen Tierethik vertritt zum Beispiel den sogenannten schwachen Egalitarismus, wonach „der Tod für ein Wesen, das Selbstbewusstsein hat, Pläne für die eigene Zukunft schmieden kann oder fähig ist, sinnreiche Beziehungen mit anderen Lebewesen einzugehen, ein größeres Leid darstelle als für Wesen, die über diese Eigenschaften nicht verfügen“. Eine Gleichberechtigung sieht er also nur dort, wo es um (gleiche) Leidensfähigkeit geht – und gesteht zu, dass es Situationen gibt, in denen Menschen bei einer Interessensabwägung gegenüber Tieren Vorrang haben.

Das hierarchische System hingegen weist Tier und Mensch von vornherein unterschiedliche Stufen zu: Der Mensch ist den Tieren übergeordnet. Deshalb darf er sie auch für seine Interessen und Bedürfnisse nutzen. Auch diese Position wird wissenschaftlich in unterschiedliche Ausprägungen unterteilt. In Deutschland gilt – bei Anwendung des hierarchischen Wertesystems – die Ernährung als „vernünftiger Grund“, um ein Tier zu töten.

Der Mensch: Überlegen – aber nicht verantwortungslos

Als Geflügelfleischwirtschaft vertreten auch wir den hierarchischen Ansatz. Dabei ist wichtig zu wissen: Hierarchismus bedeutet eben nicht, dass Tieren kein moralischer Wert zugeschrieben wird. Natürlich stehen auch wir in der Verantwortung, unnötiges Leid zu verhindern und unsere Tiere artgerecht, mit Respekt und Anstand zu behandeln. Aber das schließt nach unserer Auffassung ihre Verwertung als Lebensmittel nicht aus. Die Nutztierhaltung sichert nicht nur die Ernährung der Bevölkerung, sondern ist eine jahrtausende alte Tradition und ein Kulturgut, das es zu bewahren gilt.

Die Branche hat in den vergangenen Jahren bereits große Tierwohl-Fortschritte gemacht und arbeitet jeden Tag daran, sich weiter zu verbessern. Eine starre Anti-Nutztier-Haltung hilft dabei nicht weiter: Die Nutztierhaltung von einen auf den anderen Tag abzuschaffen, verbessert das Tierwohl kein Stück. Um weitere Fortschritte für Mensch und Tier zu erreichen, hilft ein offener gesellschaftlicher Dialog, der sich konstruktiv-kritisch damit auseinandersetzt. Zusätzlich braucht es dann überzeugende Antworten und Hilfestellungen aus der Politik – Stichwort Unterstützung beim Umbau von Tierwohlställen oder auch die Herkunftskennzeichnung für Fleisch im Außer-Haus-Bereich: Denn wenn es uns nicht gelingt, die Nutztierhaltung in Deutschland auch langfristig wettbewerbsfähig aufzustellen, sind die bisherigen Errungenschaften unserer Branche für Tierwohl, Nachhaltigkeit und Qualität verloren.

Hier gibt es weiterführende Literatur zum hochspannenden und vielschichtigen Thema Tierethik.

Ist eine vegane Ernährung wirklich gesünder?

Ist eine vegane Ernährung wirklich gesünder?

Vegane Lebensmittel gelten als gesund und nachhaltig. Wir sehen genauer hin.
Tierwohl-Cent: Juristisch kaum durchführbar

Tierwohl-Cent: Juristisch kaum durchführbar

Die Bauerndemonstrationen mit Zehntausenden von Landwirten haben eine Diskussion über die Agrarpolitik ausgelöst. Um was es geht.
„Endlich: Cem Özdemir will einen Putenbetrieb besichtigen!“

„Endlich: Cem Özdemir will einen Putenbetrieb besichtigen!“

Auf der Agrarministerkonferenz in Kiel hat die deutsche Putenwirtschaft ihren Sorgen um die Zukunft der heimischen Produktion Ausdruck verliehen. Putenhalterin Gräfin von Spee berichtet im Interview von der Stimmung vor Ort.
Weitere Inhalte entdecken
Mehr
Anzeigen
Datenschutzeinstellungen Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell, während andere uns helfen, diese Website und Ihre Erfahrung zu verbessern. Datenschutzeinstellungen