Die Agrarministerinnen und -minister der Bundesländer treffen sich diese Woche im Nordseeheilbad Büsum mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) zur „Frühjahrs-Agrarministerkonferenz“. Dabei auch auf der Agenda: die Planung der Bundesregierung für eine Aufnahme von Puten-Haltungsstandards in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung.
Das „Eckpunkte-Papier“ aus den Bundeslandwirtschaftsministerium sieht unter anderem die EU-weit strengsten Auflagen bei den Besatzdichten vor. Seine Umsetzung würde dafür sorgen, dass zunehmend importiertes Putenfleisch aus dem Ausland, produziert zu meistens viel niedrigeren Tierwohlstandards, auf deutschen Tellern landet und die heimischen Erzeuger den letzten Rest Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Wer das als Schwarzmalerei bezeichnet, dem sei die Kalkulation der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ans Herz gelegt: Sie hat eine sachlich fundierte Folgenabschätzung der Pläne vorgenommen – etwas, das die Ampel-Koalition leider versäumt hat.
Der Bundesrat entscheidet mit darüber, ob und in welcher Ausgestaltung die Pläne Realität werden. In Richtung Büsum senden wir in dieser Sonderausgabe unseres Newsletters deshalb eine klare Botschaft: Wir setzen auf die agrarpolitische Vernunft aus den Bundesländern! Und auf den Realitätssinn und die Bodenhaftung, die das Bundeslandwirtschaftsministerium bei seiner Puten-Planung vermissen lässt.
Die Ländervertreter sind näher an der Lebenswirklichkeit der Bevölkerung, sie kennen die Wirtschaftskreisläufe und – bei allen standortspezifischen Unterschieden – die Bedeutung der Nutztierhaltung für ihre Regionen. Gleichzeitig stehen sie mit in der Verantwortung, in ihren Bereichen die Umsetzung der ambitionierten agrarpolitischen Ziele aus dem Koalitionsvertrag der Ampel voranzutreiben. Deshalb, liebe Agrar-Ministerinnen und -Minister, bitte senden auch Sie eine klare Botschaft an die Verantwortlichen der Bundespolitik: Wer Tierwohl, Nachhaltigkeit und Ernährungssicherheit zusammenbringen und weiter verbessern will, erreicht das nicht mithilfe ausländischer Billigimporte! Sondern nur mithilfe einer starken, regional verankerten deutschen Putenwirtschaft.
Ihre
Bettina Gräfin von Spee
Im Fokus: Putenwirtschaft
Mit ihren Plänen für gesetzliche Haltungsstandards in der Putenmast schießt die Bundesregierung weit übers Ziel hinaus. Wie weit, zeigt eine Folgenabschätzung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen: Deutsches Putenfleisch droht zum unerschwinglichen Luxusartikel zu werden, die zu erwartenden Kostensteigerungen reißen heimische Produzenten tief ins Minus.
Das Eckpunkte-Papier des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) sieht vor, dass die Besatzdichten in Putenställen je nach Geschlecht des Tieres 35 beziehungsweise 40 Kilogramm Lebendgewicht pro Quadratmeter verfügbarer Fläche künftig nicht überschreiten dürfen. Kombiniert mit einer rechnerischen Maximalanzahl von 1,9 Hähnen beziehungsweise 3,1 Hennen pro Quadratmeter, ergeben sich die strengsten Anforderungen in der ganzen EU.
Setzt die Bundesregierung die Pläne so um, werden sowohl Verbraucherinnen und Verbraucher als auch Landwirte dies schmerzhaft zu spüren bekommen. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat im Auftrag des Verbandes Deutscher Putenerzeuger (VDP) die ökonomischen Folgen der BMEL-Pläne durchgerechnet – mit besorgniserregenden Ergebnissen.
Der Preis für die beliebte Putenbrust steigt bei Umsetzung der Pläne um bis zu 2,40 Euro pro Kilo. Dabei gehört Putenfleisch, beispielsweise Schnitzel, laut Marktforschungsinstitut GfK mit einem Monatsdurchschnittspreis von fast 11 Euro pro Kilo (Stand Dez. 22) seit längerem zu den hochpreisigen Fleischgerichten. Das liegt vor allem daran, dass heimische Betriebe mit den „Bundeseinheitlichen Eckwerten“ sowie den Anforderungen der Initiative Tierwohl (ITW) freiwillig zu Tierwohl-Standards produzieren, die zu den höchsten weltweit zählen und entsprechend hohe Erzeugungskosten verursachen.
Laut der Landwirtschaftskammer drohen einem durchschnittlich großen Betrieb infolge der direkten und indirekten Mehrkosten durch die BMEL-Pläne rund 61.000 Euro Verlust pro Mastdurchgang bei Hähnen und rund 35.000 Euro Verlust bei Hennen (nähere Informationen, Grafiken und Berechnungsgrundlagen sind hier zu finden).
Dabei bleibt den Produzenten pro Mastdurchgang schon heute nicht viel Ertrag: Bei Hähnen sind es durchschnittlich rund 4500 Euro, bei Hennen rund 560 Euro. „Ein solches Verlustgeschäft hält kein Betrieb lange durch – und von Investitionen in noch mehr Tierwohl kann dann erst recht keine Rede mehr sein“, sagt die VDP-Vorsitzende Bettina Gräfin von Spee, die auch Präsidiumsmitglied beim Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) ist. „Stattdessen landet auf deutschen Tellern noch mehr Putenfleisch ausländischer Billigimporteure, die häufig unter schlechteren Haltungsbedingungen produzieren.“
Wie die deutsche Bevölkerung zu diesem Szenario steht, lesen Sie im folgenden Beitrag.
Schon heute kommt Putenfleisch häufig aus dem Ausland – weil Tierwohl-Fleisch aus Deutschland seinen Preis hat, und weil die Menschen mehr denn je preissensibel einkaufen. Doch eine repräsentative Umfrage zeigt: Die Bevölkerung sieht die Politik in der Pflicht, Billigimporte einzudämmen und für EU-einheitliche Tierwohl-Standards zu sorgen.
Schon seit 2012 nehmen die Putenfleischeinfuhren nach Deutschland deutlich zu. Die schärfsten Wettbewerber sind derzeit Polen, Italien und Spanien. In Polen gilt eine einheitliche Besatzdichte von 57 Kilogramm, in Italien und Spanien gibt es keine spezifischen Regelungen (nähere Informationen zu den Haupt-Importländern und deren Bedingungen finden Sie hier). In anderen Worten: Die Konkurrenz hat schon jetzt einen massiven Wettbewerbsvorteil, weil heimische Produzenten freiwillig weniger Tiere pro Fläche halten und damit höhere Produktionskosten haben.
Wenn die Politik im nationalen Alleingang die Anforderungen für heimische Produzenten nochmals drastisch erhöht, leiste sie Auslandsimporten damit Vorschub und setze damit die Errungenschaften heimischer Produzenten für Tierwohl und Nachhaltigkeit aufs Spiel, mahnt VDP-Vorsitzende Gräfin von Spee. „So wird die Versorgung der Bevölkerung mit einem hochwertigen Lebensmittel aus verantwortungsvoller heimischer Produktion gefährdet!“
Mehr noch: Die Regierung betreibt damit sogar Politik gegen den erklärten Willen der Verbraucherinnen und Verbraucher, wie eine repräsentative Civey-Umfrage im Auftrag des VDP belegt. Darin sprechen sich acht von zehn Befragten dafür aus, dass die Bundesregierung sich in der Putenmast für gleiche Tierwohl-Standards innerhalb der EU einsetzt. Fast ebenso viele Befragte (76 Prozent) erwarten von der Politik, dass sie heimische Bevölkerung vor Fleischimporten unklarer Haltungsstandards schützt. Beim Kauf von Putenfleisch ist rund 44 Prozent der Befragten die regionale Herkunft des Fleisches wichtig (weitere Grafiken und nähere Erläuterungen finden Sie hier in unserer Bildergalerie).
Der VDP fordert die deutsche Regierung – wie auch die Ländervertreter, die über den Bundesrat an der Gesetzgebung mitwirken – auf, diesen Verbraucherwünschen Geltung zu verschaffen und sich für EU-weite Standards in der Putenhaltung einzusetzen, die sich an den bewährten deutschen Besatzdichten orientieren. Nur dann gibt es fairen Wettbewerb, und nur dann hat die heimische Putenwirtschaft eine Chance, Deutschland weiterhin mit verantwortungsvoll produziertem Geflügelfleisch zu versorgen und damit den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden. VDP-Vorsitzende von Spee: „Die Tierwohl-Verantwortung deutscher Politik endet nicht an unseren Landesgrenzen!“
Die Puten-Pläne der Bundesregierung haben die breite Öffentlichkeit erreicht. Neben Branchenmedien berichten auch große Publikumsmedien wie „BILD“ und „FAZ“ ausführlich über die zu erwartenden Auswirkungen für Erzeuger und Verbraucher. Die Berichterstattung im Überblick.
BILD: „Verbände warnen vor Preis-Explosion – Aufstand gegen Özdemirs Puten-Pläne“
Mit dieser Überschrift greift Deutschlands größte Zeitung die geplanten zusätzlichen Auflagen für deutsche Putenmäster auf. Sie verweist darauf, dass deutsche Betriebe bereits jetzt freiwillig unter den „Bundeseinheitlichen Eckwerten“ sowie unter den Anforderungen der Initiative Tierwohl (ITW) produzierten – und damit zu Tierwohl-Standards, die zu den höchsten weltweit zählen. Durch die geplante Reduzierung der erlaubten Besatzdichten würde der Putenbrust-Preis um bis zu 2,40 Euro pro Kilo steigen, schreibt das Medium unter Verweis auf die Folgenabschätzung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
BILD-Korrespondent Robert Becker führt weiter aus: „[…] auch wenn Tierschutz ein hehres Ziel ist: Wenn Deutschland im Alleingang zu strenge Auflagen erlässt, raubt das den Betrieben hierzulande die Wettbewerbsfähigkeit.“
WELT: „Die Puten-Pläne der Bundesregierung machen heimisches Fleisch fast unbezahlbar“
Auch „Welt“-Autor Carsten Dierig berichtet über das aktuelle Vorhaben der Regierung und führt unter anderem die drohenden Billigimporte als mögliche Konsequenz auf. Zudem stellt das Medium die Ergebnisse der vom ZDG initiierten Civey-Befragung grafisch dar: So fordern laut Umfrage drei von vier Bundesbürgern von der Politik, die Bevölkerung vor Fleischimporten zu schützen, bei denen die Tierhaltungsstandards unklar sind.
Interessant auch: Unter dem Artikel der „WELT“ ist eine rege Nutzerdiskussion entflammt. Ein Nutzer kommentierte: „Nach der Energie Abhängigkeit kommt die Nahrungsmittel Abhängigkeit Deutschlands…“ Auch in den sozialen Medien wurde das Thema umfangreich diskutiert. Auf Twitter schrieb ein Nutzer beispielsweise: „Importieren wir es eben aus schlechten Haltungsbedingungen mit weiten Transportwegen aus dem Ausland. Die Logik der grünen Traumtänzer bleibt mir wohl immer ein Rätsel.“
FAZ: „Kommt die Putenbrust bald aus dem Ausland?“ (Paywall)
Die FAZ unterstreicht die drohenden steigenden Importe aus anderen Nachbarländern wie Polen, Italien und Spanien. Denn die höheren Standards in Deutschland würden die Putenhaltung deutlich teurer machen. Die FAZ-Redakteurin Anne Kokenbrink führt aus, dass ein Preisausgleich für deutsche Erzeuger in einem EU-Binnenmarkt nur sehr schwer über Marktmechanismen sichergestellt werden könne.
Auch unter dem FAZ-Artikel ist eine rege Diskussion zu dem Eckpunktepapier der Bundesregierung entstanden. So schrieb ein Nutzer beispielsweise: „(..) Gegen allmähliche Verbesserungen ist nichts einzuwenden – diese haben ja erst unser Land den Wohlstand beschert, von dem wir heute noch zehren (…). Aber der im weltweiten Vergleich wunderbaren Tierproduktion hierzulande die Kehle zuzuschneiden ist einfach dumm (…).“
Agrarheute: „2,40 Euro mehr: Deutsches Putenfleisch für Verbraucher bald Luxus?“
Agrarheute-Redakteurin Martina Hungerkamp benennt in ihrem Artikel klar die möglichen Konsequenzen aus Sicht der Erzeuger. So drohen laut Landwirtschaftskammer einem durchschnittlich großen Betrieb infolge der direkten und indirekten Mehrkosten rund 61.000 Euro Verlust pro Mastdurchgang bei Hähnen und rund 35.000 Euro Verlust bei Hennen.
In einem weiteren Beitrag zu dem Thema zitiert das Medium Europas größten Putenfleischvermarkter HEIDEMARK: „Wenn das Eckpunktepapier zur Putenhaltung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir so umgesetzt wird, wie es auf dem Tisch liegt, können Landwirte in Deutschland keine Puten mehr halten“, so der Geschäftsführende Gesellschafter, Christoph Kalvelage.
Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt: „Putenmast: Özdemir schaufelt Mästern das Grab“
Nicht nur für die Erzeuger hätten die Puten-Pläne der Bundesregierung spürbare Konsequenzen. Josef Koch, Redakteur des Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatts, geht auf die preislichen Folgen des Eckpunktepapiers ein. Auch er führt aus, dass deutsches Putenfleisch deutlich teurer werden müsste, um Verluste für einheimische Tierhalter zu vermeiden. So würde der Preis für Putenbrust laut Berechnungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen bei Umsetzung der Pläne um bis zu 2,40 Euro pro Kilo oder rund 22 % steigen.
Weitere Informationen und Einordnungen rund um die möglichen Auswirkungen des Eckpunktepapiers aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium finden Sie hier.
Bis zum 24. März findet in Büsum die Agrarministerkonferenz statt – begleitet von zahlreichen Demonstrationen von Landwirten. Wir bitten unsere Putenbetriebe: Zeigen auch Sie Präsenz! Die Zukunft der heimischen Putenhaltung steht auf dem Spiel!
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